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Zeitenwende: Sparer setzen auf Wertpapiere anstelle von Einlagen

Immobilienfinanzierungen: 14 % Zuwachs, aber Nachfragekurve flacht ab / Betriebe fragen deutlich mehr Kredite nach

Münster (8. August 2022). Unter dem Eindruck von Rekordinflationsraten und der damit verbundenen historisch negativen Realverzinsung von rund -7,5 % haben viele Sparkassen-Privatkundinnen und -kunden in Westfalen-Lippe auch im ersten Halbjahr 2022 ihr Geld vermehrt in Vermögenswerten angelegt. Das ergibt sich aus den Halbjahreszahlen des Sparkassenverbandes Westfalen-Lippe. Allerdings verändert sich das Anlageverhalten gerade spürbar: Die Nachfragedynamik bei Wohnimmobilien schwächt sich nach einem starken ersten Quartal ab, Wertpapiere sind stark gefragt, der Einlagenboom der vergangenen Jahre scheint gleichzeitig abzuebben. Insgesamt gesehen sparen die Menschen weniger: Die Geldvermögensbildung der westfälisch-lippischen Sparkassenkunden, gleichzusetzen mit der jährlichen Ersparnis, ging im Halbjahresvergleich um 55 % von 4 Mrd. € auf 1,8 Mrd. € zurück. Erstmals floss dabei mehr Geld in Wertpapiere (1,3 Mrd. €) als in den Einlagenbereich (0,5 Mrd. €; u.a. täglich fällige Gelder, Termingelder, Sparbriefe).

Nachfrageboom bei Wohnimmobilien-Krediten flacht ab

Die Sparkassen sagten im ersten Halbjahr dieses Jahres 4,7 Mrd. Euro neue Kredite für Wohnimmobilienfinanzierungen zu. Das waren 14 % bzw. 570 Mio. € mehr als im Vorjahrjahreszeitraum. Allerdings flachte die Nachfragekurve in den letzten Monaten ab. Zum Ende des ersten Quartals hatte die Zuwachsrate noch bei knapp 20 % gelegen.

„Zahlreiche Kundinnen und Kunden haben sich die zu Jahresbeginn noch günstigen Konditionen für Immobilienfinanzierungen gesichert“, erläutert Prof. Dr. Liane Buchholz, Präsidentin des Sparkassenverbandes Westfalen-Lippe. Angesichts der enormen Inflationsraten, der Zinsanstiege im Wohnimmobilienbereich von 1 bis 2 Prozentpunkten und dem nach wie vor hohen Preisniveau auf dem Immobilienmarkt habe diese Dynamik dann im Verlauf des 2. Quartals nachgelassen.

Inflation schränkt Sparfähigkeit der Haushalte massiv ein

Buchholz macht deutlich: „Die hohen Inflationsraten setzen viele Haushalte finanziell unter Druck.“ Schon nach den bisherigen Hochrechnungen sei es rund 40 % der Haushalte nicht mehr möglich gewesen zu sparen. Angesichts der Rekordinflation und besonders der explodierenden Energiepreise sei damit zu rechnen, dass dieser Wert zum bevorstehenden Jahreswechsel auf bis zu 60 % ansteige – mit noch unvorhersehbaren Folgen für die Vermögensbildung und die Altersvorsorge. Die Sparkassenpräsidentin ergänzt: „Und selbst wenn derzeit noch Geld übrigbleibt: Mit jedem Monat Rekordinflation schmelzen der Sparbetrag oder die eingeplante Rate für die Immobilienfinanzierung weiter zusammen.“

Viele Sparer antworten mit Wertpapierinvestment

Die Halbjahreszahlen des Sparkassenverbandes Westfalen-Lippe lassen den Schluss zu, dass die Kundinnen und Kunden ihr Anlageverhalten angepasst haben. Angesichts einer Realverzinsung von derzeit rund -7,5 % entschieden sich viele Anleger für zusätzliche Aktienkäufe. Hier legte der Nettoabsatz
(Differenz zwischen Käufen und Verkäufen) gegenüber dem Vorjahreshalbjahr um 60 % auf 224 Mio. € zu.

„Aktien sind für langfristig orientierte Anleger eigentlich immer, aber gerade jetzt genau richtig“, so Jürgen Wannhoff, Vizepräsident des Sparkassenverbandes Westfalen-Lippe, „die aktuell negative Realverzinsung bedeutet: Wer zurzeit 100 Euro spart, bekommt durchschnittlich etwa 92,50 Euro Kaufkraft zurück. Darauf kann man derzeit am besten mit Aktien und Investmentfonds antworten.“

Wannhoff ergänzt: „Das Deutsche Aktieninstitut hat für den Deutschen Aktienindex durchschnittliche Langfristrenditen von etwa 8 % ermittelt. Unsere Kundinnen und Kunden, die sich für Aktien und Investmentfonds entscheiden, liegen also genau richtig.“ Wannhoff spricht von einem „Aktienboom zur richtigen Zeit“.

Doch nicht alle Sparer entschieden sich für Aktien als Anlagestrategie. Vielmehr spielte für die Kundinnen und Kunden der Sparkassen nach wie vor das Thema Sicherheit eine wichtige Rolle. Sie kauften in größerem Stil auch festverzinsliche Wertpapiere, deren Verzinsung in den vergangenen Wochen der Zinswende der EZB vorausgeeilt war. Der Nettoabsatz lag hier bei 285 Mio. € gegenüber ‑58 Mio. € im ersten Halbjahr des Vorjahres.

Der Wertpapiernettoabsatz über alle Wertpapierarten stieg bei den Sparkassen in Westfalen-Lippe auf Halbjahressicht insgesamt im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 16 % auf 1,3 Mrd. €, nachdem er im Vorjahr bereits um 25 % gestiegen war.

„Wir erleben unsichere und unklare Zeiten. Das spiegelt das Anlegerverhalten wider“, so Sparkassenpräsidentin Prof. Dr. Liane Buchholz. Die eine Kundengruppe setzte nach den Einbrüchen an den Börsen auf Renditechancen, die andere Gruppe setze auf hohe Sicherheit. „Für beide Entscheidungen gibt es gute Argumente“, so die Präsidentin.

Höhere Lagerbestände und Inflation – mehr Kredite auch bei Firmenkunden

Die hohe Inflation hat auch Auswirkungen auf das Kreditgeschäft mit Firmenkunden. Indem die Kosten der Unternehmen für Produktion und Betriebsmittel stiegen, stieg auch der Kreditbedarf. Das Neugeschäft der Sparkassen in Westfalen-Lippe mit Firmenkunden legte darum um 23 % auf fast 8 Mrd. € zu (Vorjahreszeitraum 6,5 Mrd. €). Nach Untersuchungen der Deutschen Bundesbank war für die Zuwächse allerdings auch eine Ausweitung der Lagerhaltung in den Betrieben verantwortlich. Unternehmer reagieren damit auf instabile Lieferketten und verstärke Unsicherheit durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine.

Einlagenbestände wachsen nur noch verhalten

Über alle Kundengruppen sagten die westfälisch-lippischen Sparkassen 14 Mrd. Euro neue Kredite zu. Das waren rund 19 % mehr als im Vorjahreszeitraum.

Der Gesamtbestand an Krediten wuchs von 108 Mrd. € auf 112 Mrd. € (rund 4 % mehr). Bei den Kundeneinlagen lag der Bestand zum Halbjahr bei 118 Mrd. €. Das waren nur 0,3 % bzw. 335 Mio. € mehr als im ersten Halbjahr 2021. Der Einlagenboom der vergangenen Jahre scheint damit erst einmal zum Erliegen zu kommen.

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